Schreckliche Wendungen

2007

Schreckliche Wendungen
2007
Two-parted videoinstallation
reverse projection screen with a fold in the middle  
DV-Pal  36´58´´, color, sound, loop

Ich will dir erzählen wie ich mir das Haus hinter dem Spiegel vorstelle. Zuerst einmal kommt das Zimmer, das du hinter dem Glas siehst –  das ist genau wie unser Wohnzimmer, nur ist alles verkehrt herum…
…Tun wir doch so, als ob aus dem Glas ein weicher Schleier geworden wäre, dass man hindurchsteigen könnte. Aber es wird ja
tatsächlich zu einer Art Nebel…. Sogleich war Alice durch das Glas geschlüpft und flink in das Spiegelzimmer hinabgesprungen…Dann sah sie sich allmählich um und stellte fest, dass alles, was man drüben von dem Zimmer aus hatte sehen können, ganz gewöhnlich und alltäglich war; das übrige aber war so verschieden wie nur möglich…
“Hier ist es nicht so ordentlich aufgeräumt wie drüben” dachte sich Alice…
Alice hinter den Spiegeln, Lewis Carroll


Nichtlineare Systeme sind für den größten Teil ihres Lebens stabil. Wenn sie aber an den Rand einer Katastrophenfalte geraten, erleiden sie eine sprunghafte Veränderung.” (Die Entdeckung des Chaos, Brigges, Peat 2001, 122)


 „Non-linear systems are stable for the most part of their lives. But when they approach the fold of catastrophe, they suffer a sudden alteration.“ (Seven Life Lessons of Chaos, Briggs, Peat 2001, 122)

Anhand eines scheinbar simplen Systems, des Tischdeckens, zeigt sich wie kleinste Veränderungen etwas völlig Harmloses zum Kippen bringen und eine fatale Wendung zur Folge haben können. Das Decken eines Tisches ist ein System voller Reglementierungen und Präzision, einem Ritual ähnelnde Etikette. Theatralisch präsentiert es sich in seiner Lichtstimmung, dem weißen Tischtuch, dem Silber und feinen Gläsern bzw. den “Kostümen” der Gäste. Das Decken ist die Vorbereitung auf „ein Fest, in das dann die Katastrophe hereinbrechen muss.“ Georg Seeßlen / Markus Metz, Krieg der Bilder Bilder des Krieges, 2002

Ein und dieselbe Handlung kann durch Variieren der Bedingungen völlig abweichende Verläufe haben. Auf der einen “Seite” scheint alles in geraden Bahnen zu verlaufen, auf der andern, wie in einer Parallelwelt, gerät das Geschehen ins Taumeln. Die Dinge scheinen nicht nur auf der Kippe, nahe an der Falte zu stehen, sondern geraten auch darüber hinaus. Wie bei Alice hinter den Spiegeln scheint die Spiegelwelt gleich zu sein, doch erweist sie sich als spiegelverkehrt und viel unordentlicher.
 
 Der Tisch ist vor einem Faltenvorhang platziert, an den Waenden hängen Bilder mit aufwendigem Faltenwurf und zwei weitere kleinere Bilder mit Abbildungen der sieben Elementarkatastrophen und den entsprechenden Serviettenfaltungen. Auf dem Tisch finden sich diese Servietten wieder. Eine Golduhr tickt auf dem Sims und die Protagonistin trägt ein Faltenkleid.

exhibition view: K/Haus Wien, zeitraumzeit